Raul Hilberg - Die Tötungs-, die Maschine
Vernichtung als bürokratisches Phänomen
Es verbietet sich aus unterschiedlichen Gründen, die derzeitigen Zustände im Rechtssystem der Bundesrepublik Deutschland mit denen des Dritten Reiches zu vergleichen - auch, wenn Opfer-ElterN sich vielfach dazu verleiten lassen - insbesondere jene ElterN, deren Kinder quasi über Nacht an unbekannte Orte zu Ersatz(!)Erziehern verschleppt wurden.
Die Zustände sind gleichwohl - NICHT vergleichbar.
Dennoch erhellt der Blick auf Strukturmechanismen des bürokratisch-juristischen Gefüges vor dem Hintergrund der Frage, wie es sein kann, dass organisiert und massenhaft Grund(!)- und Menschen(!)Rechte so massenhaft, so offensichtlich und so effizient missachtet werden können.
Seit den 60er/70er Jahren wurde gezielt die Verstrickung des juristischen Apparates in die Verbrechen des National-Sozialismus untersucht. Die Verstrickung an sich ist nicht überraschend - waren doch alle Organisations-Strukturen, selbst Kirchen oder Juden verstrickt ("Deutsche Kirche" oder Judenräte) .
Hier geht es auch nicht um die häufig diskutiere Frage, dass oder welche Personen aus dem damaligen Unrechts-Gefüge mit einem Persil-Schein nahtlos in das System der Bundesrepublik überwechselten - oder ob die Willfährigkeit bei Juristen oder bei Militärs größer war.
Hier geht es allein um die Frage, wie von 1933 bis 1945 Menschen in einem System moralische und Grund(!)-legende Prinzipien von Gut und Böse scheinbar Bedenken-los über Bord werfen konnten, und wie so, und nur so die Maschinerie der Vernichtung agieren konnte.
Wie quasi - im Sinne des Thomas Hobbes´schen Bildes vom Leviathan - die Summe der Einzelnen der Staat wird, die Summe der Einzelnen das Schwert wird, das zuschlägt.
Dieser Frage, der Frage der Tötungs-Maschine des Dritten Reiches widmete sich neben vielen anderen besonders Raul Hilberg in verschiedenen Schriften, insbesondere in seinem Standardwerk "The Destruction of the European Jews" ("Die Vernichtung der europäischen Juden") von 1961. Später folgten Einzelwerke, z.B. unter dem Thema "Täter, Opfer, Zuschauer".
Die Vernichtung der Juden im deutsch beherrschten Europa war ein Prozess, so eines der zentralen Argumente Raul Hilbergs (1926–2007), der von 1933
bis 1945 nicht durch einen klaren Plan oder eine kalkulierte Strategie vorgezeichnet war, sondern einer „inhärenten Logik“ folgte.
Sein Forschungsansatz war die Suche nach der Funktionsweise der Täter und ihrer Organisation des Massenmords in - seinerzeit noch bemerkenswert - von ihnen selbst angelegten Akten.
Hilberg erkannte:
Der Judenmord war nicht das Werk Einzelner. Er wurde von einer hochgradig arbeitsteiligen und bürokratisch organisierten Gesellschaft in die Wege geleitet und verwirklicht; von einer Gesellschaft, die die technischen Mittel dazu hatte und den Willen, sie zu nutzen.
In guter bürokratischer Tradition stand am Beginn des Vernichtungsprozesses die amtliche Definition dessen, was vernichtet werden sollte: das Judentum. Danach konnte die systematische Entrechtung und Enteignung der Juden beginnen: die Konzentration der Juden in Ghettos, die Operationen der mobilen Tötungseinheiten, die Deportationen aus den besetzten Gebieten und schließlich die Errichtung spezieller Vernichtungszentren.
Hinter dieser höchst effizienten Maschinerie verbarg sich ein ganzes Heer von Namenlosen, deren funktionale Hingabe diesen Genozid erst möglich gemacht haben.
Es waren "gewöhnliche" Bürokraten, Reichsbahner, Polizisten und Soldaten, die diese Maschinerie in Gang hielten.
Hilberg: "Töten ist nicht mehr so schwer wie in früheren Zeiten."
Ich zitiere ausführlich einen Bericht des Deutschlandfunks (http://www.deutschlandfunk.de/raul-hilberg-die-quellen-des-holocaust-entschluesseln-und.730.de.html?dram:article_id=101892)
"Schriftwechsel der Nazibürokratie nach Absender und Empfänger, nach Vorgang und Funktion eingeteilt und deskriptiv analysiert zu sehen, wirkt auf den ersten Blick nicht besonders spannend. Es kommt hinzu, dass Hilberg sich als Autor eines betont trockenen Stils bedient, der zwar auf der einen Seite - und angenehmerweise - wohlfeilen Ausdruck nachgetragener Empörung über die Nazis ausschließt, auf der anderen Seite sich aber auch merkwürdig der Verwaltungsdiktion annähert, die den Stoff der Untersuchung bildet. Zu ihr merkt Hilberg an:
"Die besonderen Merkmale einer Bürokratie sind Zweckrationalität und
Routine: ihre typische Haltung ist Leidenschaftslosigkeit, und ihre Sprache, angereichert durch Fach- und Spezialbegriffe, ermöglicht die
Erörterung der unterschiedlichsten Themen in stets demselben gefühllosen Ton." (ebenda)
So kann Hilberg zu der Feststellung gelangen, dass auch rein nationalsozialistische Institutionen wie das Reichssicherheitshauptamt sich in ihren terminologischen Gepflogenheiten eng an die Modelle hielten, die lange vor dem Nationalsozialismus in der Verwaltungsbürokratie eingeführt waren. Aufgrund der gleichen Voraussetzungen fallen Hilberg jedoch auch feine Abweichungen von der Routine auf. In einem total bürokratisierten Universum, in dem alles, was von oben entschieden und angewiesen wurde, bis ins kleinste Detail schriftlich geregelt war, entdeckt Hilberg merkwürdige Lücken:
Hinterlassenschaften eines Befehls Hitlers, die mehrfach angekündigte Ausrottung der Juden ins Werk zu setzen, sind bis heute unauffindbar geblieben. Eines solchen Befehls hat es offenbar auch gar nicht bedurft, weil die Apparate von Staat, Partei, Polizei und Militär auf das Projekt der Vernichtung der Juden bereits eingestellt waren. Gerade in Sachen antijüdischer Politik, kann Hilberg nachweisen, fehlen häufig eindeutige Befehle, Anweisungen oder Vorschriften: höchstens "Richtlinien" zur Durchführung wurden bekanntgegeben, so als verstünde sich die ungeheuerliche Hauptsache, das Beseitigen jüdischen Lebens in Deutschland und im besetzten Europa, ohnehin von selbst.
Bei der Durchsicht des Vokabulars, das Befehlshaber und Vorgesetzte in ihren Schreiben benutzten, ist Hilberg das häufige Auftauchen eines Alltagsworts aufgefallen, und zwar des Adverbs "selbstverständlich".
Für einen hohen Beamten aus dem Reichsministerium für Wissenschaft und Erziehung war es etwa "selbstverständlich", dass Deutsche und vor allem
Parteigenossen "nicht beim Juden" kauften. Ebenso "selbstverständlich" war es für einen Offizier der Abwehr, dass deutsche Soldaten gegenüber jüdischen Zwangsarbeitern mit "Unbarmherzigkeit"
auftraten. Reinhard Heydrich erklärte kurz vor dem Überfall auf die Sowjetunion, dass die dort angetroffenen Juden "selbstverständlich" zu erschießen seien. Das heißt, neben dem ausdrücklichen
Befehl existierte für die Befehlshaber das Mittel des Hinweises auf etwas nicht inhaltlich ausgesprochenes Selbstverständliches, um eine Absicht durchzusetzen.
Nebeneinander von Klartext und Verschleierung zeichnet die Sprache vieler Nazidokumente aus.
Hilberg unterscheidet zwischen drei Varianten der Verschleierung:
- erstens Legitimierung des Verbrecherischen, etwa Gleichsetzung der Massenerschießung von Juden mit einer "Aktion nach Kriegsbrauch";
- zweitens die sprachliche Codierung, etwa die Tarnung der Vergasung durch Ausdrücke wie "Sonderbehandlung" oder "Durchschleusen";
- drittens das Einhüllen eines Vorgangs in eine gewundene, barocke Ausdrucksweise.
Während die damaligen Adressaten wussten, was gemeint war, bleibt dem späteren Historiker die Aufgabe, die Verschleierungen von den Vorgängen
wegzuziehen, um zu ihrem Kern zu gelangen." (Ende des Zitats Deutschlandfunk).
Im Kleinen, im Gewöhnlichen wurde das Monströse sichtberg.
Hilberg erkannte - in meinen Worten - die bürokratisierte Objekivierung an sich Menschen(!)Rechts-widriger Maßnahmen und gab ihnen damit einen schein-objektivierten Anstrich.
Er unterschied verschiedene Phasen des Holocausts:
Die Ausgrenzung,
die räumliche Konzentration,
die Ermordung.
„An der Spitze dieses historischen Feldzugs standen Bürokraten“, die allerdings nicht einer koordinierenden Instanz folgten oder in einem monolithischen zentralisierten Staat agierten, sondern in einem Unstaat, einem organisierten Chaos: die „Vernichtungsmaschinerie bestand aus [...] Ministerien, den Streitkräften, den Parteigliederungen und der Industrie“.
Christoph Dieckmann in einer Rezension des Werkes von Hilberg "Anatomie des Holocaust" (http://www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-26187):
"Entscheidend für den Erfolg der Vernichtungspolitik in Deutschland und im deutsch beherrschten Europa sei gewesen, dass „die Bürokraten bestimmte Möglichkeiten und ‚Notwendigkeiten’ frühzeitig erkannten“, Eigeninitiative und Visionen entwickelten.
Daher – so Hilberg in frontaler Abgrenzung zu Hannah Arendt – sei in dem Bösen nichts Banales zu finden. Der Bürokrat sei gerade nicht als „Rädchen im Getriebe“ zu verstehen, sondern sei „derjenige, der das ganze Getriebe in Gang hält“ (S. 91, 108). Die Täter hätten dem mörderischen Angriff „Sinn“ beigemessen und den ganzen Prozess als „Erlebnis“ erfahren. (...)
In sämtlichen Editionen seines Opus magnum schrieb er: „Die Vernichtung der Juden war kein Zufall. Als zu Beginn des Jahres 1933 erstmals ein
Ministerialbeamter eine Definition der Bezeichnung ‚nichtarisch’ in einen Richtlinienerlass hineinschrieb, war das Schicksal des europäischen Judentums besiegelt." (...)
So komponierte er zum Beispiel das gesamte Kapitel seines Hauptwerkes zu den Erschießungsaktionen der Einsatzgruppen in der zweiten Jahreshälfte 1941 fast ausschließlich aus den Ereignismeldungen der Sicherheitspolizei an das Reichssicherheitshauptamt."
Hilbergs bahnbrechende Studien zur Rolle der Reichsbahn und verschiedener Polizeiorgane belegen, wie diese bürokratisch durchorganisierten Institutionen zu Teilen der „Vernichtungsmaschine“ wurden. Alltägliche Verwaltungsfunktionen und wirtschaftliche Rationalitäts- und Effizienzkalküle unterschieden sich nicht von der „Umsetzung der Endlösung“. Exemplarisch untersucht Hilberg in einem Beitrag die Vernichtung „als bürokratisches Phänomen“ anhand ausgedehnter Archivstudien zur Arbeitsweise der Reichsbahn bei der logistisch sehr schwierigen Aufgabe, Juden in Güterwagen kreuz und quer durch Europa zu transportieren.
I-ypszilon (Amás Emodi-Kiss, Kata György, Csaba Horváth, Tamás Papp), National Monument of the 1956 Hungarian Revolution and War of Independence, 2006, Budapest. (Photograph by I-ypszilon)
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