Sprache: Instrument des Missbrauchs

 

1933 und heute


 

 

Und noch einmal: Die Situation 1933 ff ist mit der Situation heute nicht vergleichbar.

 

Noch einmal: Gerade weil 1933ff so nah und doch so fern ist, kann man viel daraus lernen.

 

1933 lehrt uns

 

- die Unverbrüchlichkeit unserer Grundrechte (GG, Art. 1 bis Art. 20)

 

- die Beschränkung staatlichen Wahns, z.B. im Familien-Recht (GG, Art. 6.3)

 

- die große Schuld kleiner Bürokraten und Richter (Hannah Arendt) und:

 

- nun hier folgend: die Sprache als Instrument des Missbrauchs.

 

 

Nachfolgender Beitrag ruht in seinen Aussagen zum Recht im National-Sozialismus im Wesentlichen auf Ralph Angermund: "Recht ist, was dem Volke nutzt - Zum Niedergang von Recht und Justiz im Dritten Reich", in: "Deutschland 1933-1945: Nue Studien zur Nationalsozialistischen Herrschaft" von Karl-Dietrich Bracher, Manfred Funke, Hans-Adolf Jakobsen (Hrsg.), Bundeszentrale für politsche Bildung, 1992, ISBN 3-89331-185-8, S. 57ff

 

Die Instrumentalisierung von Recht und Justiz zum Zwecke politischer Verfolgung war im 3. Reich - angesichts der Sozialistenverfolgung im Kaiserreich - nichts Neues.

 

Eine allen rechtsstaatlichen Grundsätzen entkleidete Justiz hatte nun ab 1933 vielfach dazu beigetragen, in Übereinstimmung mit der neuen Regierung der "nationaler Erhebung" Andersdenkende, Unzufriedene, "Asoziale", "rassisch Minderwertiges", "Undeutsches", Widerständiges, "Fremdvölkisches" auszumerzen.

 

Dazu bedurfte es vielfach auch konstruierter Anlässe, wie der inszenierte Reichstagsbrand.

 

Unter dem Vorwand, einen kommunistischen Umsturzversuch vereiteln zu müssen, wurden am 28.2.1933 mit Hilfe von Art. 48 die Meinungsfreiheit und Versammlungsfreiheit beseitigt.

 

Absicht braucht -> Vorwand, legitimiert -> Maßnahmen

 

Art. 48 ermächtigt den Reichspräsidenten, wichtige politische Grundrechte zum "Schutz von Sicherheit und Ordnung" außer Kraft zu setzen.

 

Dieses Verhalten: Absicht -> Vorwand -> Maßnahme ist nahezu allen Diktaturen gemein: Dem Volk sollen Logik und Legitimation vermittelt werden.

 

Sondergerichte wurden gegen "politische Kriminalität" eingesetzt. Das "Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" vom 7. April 1933 entließ nicht nur alle "Nicht-Arier", sprich Juden, aus dem öffentlichen Dienst, sondern auch "Republikaner", sprich Anhänger des westlichen Parlamentarismus.

 

"Damit hatte die nationalsozialistische Forderung, dass die "Rasse" die Rechtsstellung des Einzelnen bestimmen und der "Fremdrassige" aus der "Volksgemeinschaft" augeschlossen sein sollte, erstmals Eingang in das Reichsgesetzblatt gefunden" (ebenda, S. 58).

 

Maßnahmen zum angeblichen Schutz und zur "Reinerhaltung" der "Volksgemeinschaft" wurden gegen "gefährliche Gewohnheitsverbrecher", gegen "Berufskriminelle" (darunter fielen Schwerverbrecher wie Landstreicher oder Bettler) verhängt. Dazu gehörte u.a. die "Unfruchtbarmachung" von "Erbkranken".

 

Seit November 1933 waren die verhängten Maßnahmen auch "Sicherheitsverwahrung" (der Verurteilte blieb nach seiner Haft noch mindestens 3 Jahre in Justizgewahrsam) oder "Entmannung".

 

""Erbkranke", d.h. u.a. angeblich Schwachsinnige, Schwermißgebildete und Alkoholiker konnten nach dem "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" vom 14.7.1933 auf Auftrag eines beamteten Arztes bzw. einer Straf- oder Krankenanstalt auf Beschluß eines Erbgesundheitsgerichts sterilisiert werden" (ebenda, S. 59).

 

Die Erbgesundheitsgerichtete - bestehend aus einem Richter und zwei Ärzten - beschlossen Schätzungen zufolge die Sterilisierung von mindestens 200.000 Menschen.

 

Die Veränderungen der Justiz gingen mit einer schrittweisen Aushöhlung der Rechte der Angeklagten einher:

 

"Zudem machte sich (...) eine zunehmende "Verwässerung" der Tatbestände (...) und damit ein wachsender Verlust an Bestimmtheit und Eindeutigkeit des Strafgesetzes bemerkbar.

(...)

Aus derartigen Bestimmungen spricht zum einen eine prinzipielle Feindschaft gegenüber den Prinzipien des Rechtsstaats. Zum anderen sind sie in ihrer Unschärfe aber auch ein Indiz dafür, welche Probleme die Umformung des "liberalistischen" Rechtssystems für die natonalsozialistischen Rechtspolitiker aufwarf." (ebenda)."

 

 

*

 

Dieser kurze Ausflug in die Rechtsgeschichte mag einige Anhaltspunkte geben, die auch heute in Familien-Gerichtsverfahren bedeutsam sind:

 

1. Unscharfe Gegebenheiten, zweifelhafte, fragwürdige wissenschaftliche Tatsachen (Rassenlehre), Meinungen, Adjektive werden sprachlich zu Tatsachen unzweifelhafter Wirklichkeit erhoben - insbesondere durch die Substantierung, sprich: Bescchreibung mittel Substantive.

 

Eine Substantiierung subjektiver Empfindungen quasi.

 

Meinend: Ob Bettler, Alkoholabhängige oder "Andersartige", wie Homosexuelle oder Juden, eine Volksseele "zersetzen" - kann man so oder so empfinden.

 

In der Sprache der National-Sozialisten hingegen dient die Sprache, die Verwendung von Substantiven dazu, solch subjektive, persönliche Empfindungen in den Stand unzweifelhafter Tatsachen zu heben:

Volkszersetzung, Fremdvölkisches, Arisches, Unwertes.

 

 

2. Die Sprache diente dazu, den Maßnahmen den Anschein zu geben, als seien sie zwangsläufig, naturwissenschaftlich oder logisch zwingend:

 

Die "Ausmerzung" allen "Unwertes". Die "Unfruchtbarmachung" des "Schwachsinnigen".

 

Die "substantiierte Sprache" der Bürokratie ...

 

- vermittelt scheinbare Objektivität in der Feststellung der Zwangsläufigkeit der Maßnahme

 

- behauptet die zweifelsfreie Wirksamkeit der Maßnahme

 

- und verlangt vom Opfer, Betroffenen die Unterordnung unter die Feststellung des Missstandes - und die "notwendigen" Maßnahmen.

 

- Und: Unterstellt, dass das Negative einem höheren Positivem diene, das der Einzelne, da er das Negative zu tragen hat, in der Regel nicht erkennen kann.

 

Die Sprache ist in diesem Sinne Herrschafts- und Machtinstrument der zu Gericht sitzenden - über jenen, über den zu Gericht gesessen wird.

 

Ein Staat, ein Richter, ein "Gutachter", der sich dieser Sprache bedient, bedient sich dieser Sprache, um zu herrschen, und Teil der Macht des Machtapparates zu werden:

 

Egal, ob als Mitarbeiter des Jugendamtes, der Polizei oder als Richter.

 

 

3. Während wir bei der Feststellung von "subjektiven Empfindungen" und "notwendigen Maßnahmen" eine Substantierung und Schein-Objektivierung der Sprache subjektiver Empfindungen feststellen können,

 

können wir in Bezug auf die Rechte des Einzelnen und des Betroffenen, siehe oben, genau das Gegenteil feststellen:

Eine Verwässerung.

 

Der Einzelne ist nicht Teil des Machtapparates. Und jeder Versuch, sich sprachlich als solcher zu generieren, vermag lächerlich anmuten.

Im Gegenteil: Der Einzelne ist jener, "über den" befunden wird.

 

Kritisiert er - via Sprache - Stellungnahmen von Sachverständigen, Richtern, "Wissenschaftlern" - kritisiert er naturgegeben "das System", das über ihn zu Gericht sitzt.

 

Sein Metier ist "das Gefühl", der "kleine Geist", die "Absicht". Gutachter, Behörden-Mitarbeiter deuten und verwissenschaftlichen dies in ihrer eigenen Sprache.

 

Der Vater - nimmt das Kind in den Arm.

Der Gutachter teilt mit "Es war erkennbar, dass der Vater bestrebt war, das verunsichert wirkende Kind vor den Augen des Gutachters ... Daraus folgt ... Wir empfehlen ..."

 

Der Küchentisch wird zur "Explorations-Lokalisation".

 

Die NS-Begriffe "Schutzhaft" (sprich Inhaftierung Andersdenkender), "Sicherheitsverwahrung" (sprich Inhaftierung) erinnern fatal an den heutigen Begriff "Inobhutznahme" (sprich Entführung) zehntausender Kinder 2018 ff durch Jugendämter.

 

"Wir" stellen also fest:

 

Schreiben von Gutlachern, Jugendamtsfrauen, Richtern und anderen sind als das zu erkennen, was sie sind:

Persönliche, individuelle Empfindungen und Meinungen.

Die man so - oder anders sehen kann.

 

Die Sprache von Gutlachern, Jugendamtsfrauen und Richtern ist eine Sprache der Macht.

 

Die geeignete Gegenfrage wird immer lauten:

- Können Sie das wissenschaftlich belegen?

- Ist es "eindeutig" wissenschaftlich belegt?

- Wie kann es "eindeutig" wissenschaftlich belegt sein, während ich es anzweifele?

- Welches sind die Quellen?

- Warum fügen Sie Ihrer Stellungnahme keine Quellen-Angaben bei?

- Wie ist das Ergebnis übergeordneter Meta-Studien?

- Forschen Sie derzeit wissenschaftlich?

- Von wann ist Ihr Studien-Abschluss?

- Sind Sie zu regelmässigen Fortbildungen verpflichtet?

- Warum trennen Sie nicht persönliche Meinung von wissenschaftlichen Behauptungen?

- Welche Wissenschaftler kritisieren Ihre Datengrundlagen?

 

Machen Sie sich immer Folgendes deutlich:

 

Jemand, der als Psychologe Gutachter in einem Gerichtsverfahren ist, und eine Stellungnahme abgibt: Gibt sie als Wissenschaftler ab: "Die Mutter ließ erkennen, dass ..."

 

Wenn der selbe Gutachter über seinen Nachbarn herzieht:

Ist das dann eine "wissenschaftliche Stellungnahme" -

oder schlicht und einfach Tratsch?

 

 

Noch etwas ist Bedeutsam:

 

Warum all der Aufwand, den Maßnahmen einen Anstrich von Schein-Legalität zu geben?

 

Warum das Bemühen, zweifelhaftes subjektives Empfinden objektiviert darzustellen, und Maßnahmen den Anschein der Zwangsläufigkeit zu geben?

 

Sprache - als Machtinstrument ist die eine gegebene Antwort.

 

Die zweite Antwort aber ist, dass das Entscheidende gar nicht die Objektivierung subjektiven Empfindens oder die Schein-Legalität ist, sondern: die Durchführung der Maßnahme.

 

Um das Parlament auszuschalten, bedurfte Hitler eines Anlasses. Die Ausschaltung des Parlamentes war die eigentliche Absicht, der vorher initiierte Brand des Reichstages die Schein-Begründung.

 

Für Familienverfahren bei Gerichten heißt das:

Ein Gericht ist dazu da, einen "Beschluss" zu fällen. Eine "Entscheidung" zu verkünden. Eine "Lösung" zu präsentieren.

 

Familien-Verfahren bei Gericht suchen nicht komplexe Antworten oder komplexe Wahrheiten.

 

Familien-Verfahren bei Gericht suchen auch nicht widersprüchliche Erklärungen - einerseits, andererseits.

 

Ein Familien-Verfahren vor Gericht - ist auch kein "Verfahren" - so widersprüchlich das klingt.

 

Ein Familien-Verfahren will einen Beschluss. So einfach und so rasch als möglich.

 

Eine Lösung muss her.

 

Nun wird jeder ein unterschiedliches Empfinden haben, bei wem z.B. Kinder unterzubringen sind.

 

Entsprechend werden Fakten und Empfindungen - in eine bestimmte Richtung gebogen - andere weggelassen.

 

Unimosität, d.h. vorherige Abstimmung der Beteiligten, tut das Übrige.

 

Künstlich objektivierte, verwissenschaftliche Sprache und selektive, verfälschte Faktenauswahl in Familienverfahren dienen damit vor allem dazu, bestimmte Maßnahmen zu rechtfertigen.

 

Bedeutend: Der Beschluss steht bereits vorher fest. Es geht um die sprachliche Begründung. Und diese soll möglichst "objektiv" und "neutral" erscheinen.

 

Bürokratischer Kindes-Missbrauch - schein-wissenschaftlich.

Bürokratischer Kindes-Missbrauch - schein-eindeutig.

Bürokratischer Kindes-Missbrauch - schein-zwangsläufig.

 

Bürokratischer Kindes-Missbrauch - abgeschlossen.

Das nächste Verfahren, die nächste Familie bitte!

Messer, Skapell, Gutachten bitte.

Etwas mehr Aussagen, weniger Fragen bitte!

Und: Jugendamt und Gutachter: Bitte aufeinander abstimmen!

Für das Kind: Einen Tupfer bitte.

Maßnahmen sind durchzuführen.

Beschlüsse zu fällen.

"Das Kind teilte dem Gericht glaubhaft mit, dass ..."

Hurra!

 

Der Nächste bitte!

 

Sprache - Instrument des Kindes-Missbrauchs.